Von der Betriebsprüfung zum Steuerstrafverfahren – ein kleiner Schritt

Bei der Frage, auf welche verschiedenen Arten Steuerstrafverfahren überhaupt zustande kommen, gibt es einige „Klassiker“. Einer hiervon ist der Übergang vom Betriebsprüfungsverfahren in das Strafverfahren, der hier näher erörtert werden soll.

Das Betriebsprüfungsverfahren

Eine Betriebsprüfung kann für mehrere Veranlagungszeiträume und auch für mehrere Steuerarten angeordnet werden. Das Gesetz spricht hier von der „Außenprüfung“, die grundsätzlich beim Steuerpflichtigen stattfindet.
Wie häufig ein Unternehmen von einer Betriebsprüfung betroffen ist, richtet sich im Wesentlichen nach der Unternehmensgröße. Ein Teil der zu prüfenden Unternehmen wird jedoch immer auch nach dem Zufallsprinzip ausgewählt. Die Prüfungsanordnung, in der festgehalten wird was Gegenstand der Prüfung ist, muss schriftlich ergehen (§ 196 AO).
Seit 2002 ist es der Finanzbehörde auch gestattet, auf die Buchhaltung der Unternehmen in Datenverarbeitungssystemen zuzugreifen. Im Übrigen hat der Unternehmer Bücher und sonstige Urkunden vorzulegen, Auskünfte zu erteilen, den Zugang des Betriebsprüfers zu gestatten und ihm einen Raum zuzuweisen. Der Unternehmer hat grundsätzlich an der Prüfung mitzuwirken.
Vor Beendigung der Betriebsprüfung ist im Regelfall eine Schlussbesprechung abzuhalten, in welcher strittige Sachverhalte oder rechtliche Bewertungen erörtert werden sollen. Anschließend wird ein Prüfbericht erstellt, der allerdings in der Praxis häufig schon zur Schlussbesprechung vorliegt. Sollten sich hieraus Änderungen der Besteuerung ergeben, werden anschließend geänderte Steuerbescheide erlassen. Nur diese Steuerbescheide, und nicht der Prüfbericht, sind dann anfechtbar.

Die Betriebsprüfung erkennt Unregelmäßigkeiten

Ein Strafverfahren wird selbstverständlich nicht eingeleitet, wenn nach Auffassung der Betriebsprüfung keinerlei Unregelmäßigkeiten in der Buchhaltung des Unternehmens aufzufinden sind. Häufig beanstandet die Betriebsprüfung jedoch Sachverhalte. Hierzu ein paar Beispiele aus unserer Praxis (in denen es allerdings immer auch zur Einleitung von Strafverfahren gekommen ist).

  1. Ein Gastronom bezieht von seinem Getränkelieferanten neben den Getränken auch Flaschen mit Kohlensäure für die Zapfanlage des Fassbieres.  Die Menge der Kohlensäure reicht allerdings für die doppelte Menge des laut Buchhaltung verkauften Bieres.
  2. Ein Friseur hat in seiner Buchhaltung Einkaufsbelege für 8000 Halskrausen, was mit den Umsätzen im gleichen Zeitraum bis zum nächsten Kauf von Halskrausen nicht vereinbar ist.
  3. Ein Unternehmer erhält für seine Einkäufe im Großmarkt für Umsätze über jährlich € 50.000,- eine Rückvergütung in Geld oder als Rabatt auf künftige Einkäufe. In der Buchhaltung sind allerdings nur Einkäufe für € 30.000,- enthalten.
  4. Aus TÜV – Berichten und Werkstattrechnungen eines Taxiunternehmens ergeben sich Laufleistungen der Taxen von durchschnittlich 120.000 km pro Taxi. Demgegenüber werden nur € 40.000,- Umsatz je Taxi verbucht, während im Schnitt ein Taxi einen Umsatz von € 1,- pro Kilometer erwirtschaftet.
  5. Für Arbeitnehmer werden steuerfreie Fahrtkostenzuschüsse ausbezahlt, während sich die Arbeitnehmer im Urlaub / Kur o.ä. befinden.
  6. In der Buchhaltung des Unternehmens sind auffällig viele Rechnungen über Beratungsleistungen einer Schweizer Gesellschaft.

Die Aufzählung ließe sich beliebig verlängern.

Die Betriebsprüfung kann die Sachverhalte nicht aufklären

In den oben geschilderten Beispielen wird die Betriebsprüfung natürlich zunächst versuchen müssen, diese Sachverhalte und deren Hintergrund aufzuklären. So könnte im Beispiel Nr. 1 eine defekte Kohlensäureleitung die Ursache sein, im Beispiel Nr. 2 die Lieferung defekter Halskrausen, im Beispiel Nr. 3 auch die Berücksichtigung eines Schwesterunternehmens bei den Einkäufen oder im Beispiel Nr. 6 die beabsichtigte Ausweitung des Geschäftsbetriebes in die Schweiz. Dieser Aufklärung dient letztlich auch die Auskunftspflicht des Unternehmers.
Findet sich für den Betriebsprüfer allerdings keine plausible Erklärung, so könnte es sich bei diesen Sachverhalten auch um eine Steuerstraftat handeln. In diesen Fällen ist der Betriebsprüfer intern (§ 10 Betriebsprüfungsordnung, BpO) verpflichtet, die für die Ermittlung der Steuerstraftat zuständige Stelle (Bußgeld- und Strafsachenstelle des Finanzamtes bzw. Steuerfahndung) unverzüglich davon zu unterrichten, dass der Anfangsverdacht einer Steuerstraftat vorliegt. Diese entscheidet dann darüber, ob ein Steuerstrafverfahren tatsächlich einzuleiten ist.
Richtet sich der Verdacht der Steuerstraftat gegen den Unternehmer, dürfen hinsichtlich dieses Sachverhaltes die Ermittlungen der Außenprüfung (§ 194 AO) erst fortgesetzt werden, nachdem dem Unternehmer die Einleitung des Strafverfahrens mitgeteilt wurde (§ 10 Abs. 1 Satz 3 BpO). In der Praxis wird die Betriebsprüfung allerdings in der Regel vollständig unterbrochen. Diese Unterbrechung wird dem Unternehmer selbstverständlich nicht formal mitgeteilt, um Maßnahmen wie Durchsuchungen o.ä. nicht zu gefährden. Gleichwohl sollte der Unternehmer aber erkennen können, wann dieser höchst sensible Zeitpunkt gekommen ist. Immer wenn „heikle Fragen“ des Betriebsprüfers nicht zu dessen Zufriedenheit beantwortet werden können und der Prüfer dann zu Prüfterminen nicht mehr erscheint, scheinbar erkrankt oder anderweitig beschäftig ist, steht zu befürchten, dass demnächst die Steuerfahndung vor der Tür steht.

Betriebsprüfungs- und Strafverfahren

Nach Einleitung des Strafverfahrens kommt es sehr häufig zu Durchsuchungsmaßnahmen der Steuerfahndung und zwar nicht nur im Unternehmen, sondern auch in den Privaträumen des Unternehmers. Auch die Überwachung der Telekommunikation kommt vor, dies allerdings eher selten.
Spätestens zu diesem Zeitpunkt – besser aber noch zum Zeitpunkt der Unterbrechung der Betriebsprüfung – sollte ein qualifizierter Berater beauftragt werden und zwar zu Beginn der Durchsuchungsmaßnahme und nicht erst nach deren Ende.
Formal wird sodann neben dem Strafverfahren auch das Betriebsprüfungsverfahren fortgesetzt. Voraussetzung hierfür ist lediglich, dass dem Unternehmer die Einleitung des Strafverfahrens mitgeteilt und er darüber belehrt wurde, dass seine oben genannten Mitwirkungspflichten nicht mehr mit Zwangsmitteln durchgesetzt werden können. Dies bringt den Unternehmer in eine ausgesprochen schwierige Lage, denn die Mitwirkungspflichten im Betriebsprüfungsverfahren bestehen weiter fort und bei mangelhafter Mitwirkung kann die Betriebsprüfung auch Schlüsse zum Nachteil des Unternehmers ziehen. Andererseits wird all das, was er im Betriebsprüfungsverfahren vorbringt, auch im Strafverfahren gegen ihn verwendet werden können. Häufig stellt sich auch die Frage, wie es denn um die Abgabe weiterer Steuererklärungen steht, wenn zu befürchten ist, dass auch neue Steuererklärungen nach Auffassung der Finanzbehörde unrichtig sind. Auch die Pflicht von Kapitalgesellschaften (z.B. GmbH`s) Bilanzen im elektronischen Bundesanzeiger veröffentlichen zu lassen, ist oft problematisch.
In der Praxis wird das Betriebsprüfungsverfahren einerseits und das Strafverfahren andererseits allerdings häufig gemeinsam bearbeitet. Dies ist grundsätzlich auch zulässig. So werden sichergestellte Unterlagen beispielsweise von der Betriebsprüfung ausgewertet, da diese näher an der Sache dran ist. Vernehmungen darf die Betriebsprüfung nicht durchführen, allerdings sind Betriebsprüfer bei Vernehmungen durch die Steuerfahndung häufig anwesend und leiten diese auch nicht selten. Als Berater ist es nicht unüblich, sich bei Besprechungen in derartigen Verfahren zwischen sechs und zehn Mitarbeitern der Finanzverwaltung  gegenüberzusehen.
Aufgrund divergierender „Beweislastregeln“ im Besteuerungsverfahren einerseits – zu dem das Betriebsprüfungsverfahren gehört – und im Strafverfahren andererseits, ist es auch nicht selten, dass die Verfahren zu zahlenmäßig höchst unterschiedlichen Ergebnissen führen können. Auch dies sollte ein qualifizierter Berater im Griff haben.

Ergebnis

Letztlich hängt die Entscheidung ob ein Strafverfahren eingeleitet wird oder nicht davon ab, ob dem Betriebsprüfer für strittige Sachverhalte plausible Erklärungen geliefert werden können. Nicht selten wird auch unverhohlen damit gedroht ein Strafverfahren einzuleiten, wenn bestimmte steuerliche Folgerungen der Betriebsprüfung nicht akzeptiert werden. Je früher hier kompetente Beratung erfolgen kann, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass ein Strafverfahren vermieden oder dessen Auswirkungen beschränkt werden können.

Andreas Liebers LL.M.
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Strafrecht
Master of Laws (Steuerwissenschaften)

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